Gefühlen nachzuspüren und sie nachvollziehbar für andere zu beschreiben und doch eine andere erklärende Sprache zu finden, ist das Ziel für die folgende Arbeit. Ich tauche hinein, hinter verschlossene Gesichter, hinter blinde Augen und konstruiere nachgespürte „Gefühlskörper“ fiktiver Charaktere, die wiederum Richtungsvorgabe für mein Denken sind. Die trüben Augen der Blinden sind dabei die Tore zu einem lichtlosen Raum und doch zur Innensicht. In diesem vermeintlichen Dunkel des erdachten Individuums entdecke ich mögliche Gefühlsrichtungen, taste mich tiefer und Formen erwachsen langsam, biegen und wölben sich zäh und wild und bleiben doch flüchtig. Ich bewege mich am Rand der Realitäten entlang und blicke nach innen und außen, um die jeweiligen Kopfgeburten zu betrachten. Diese Innen- und Außenkonstruktionen sind zum einen erfühlt, zum anderen visionär gesehen. Immer wieder bin ich dabei überrascht wie schön und selbstverständlich sie sind – ihre Rohheit, ihre Sinnlichkeit, ihre Brutalität und Direktheit. Gefühle sind aber endlos nuanciert und grenzenlos wandelbar und der Gefühlskörper ist somit schwer konkret zu greifen. Die graphische Umsetzung ist dann ein Prozess mit wuchtigem Auftreten. Davon aber Abstand genommen, bleibt eine Arbeit mit tiefer Einsicht in menschliche Gefühle und ein anderer Blick auf scheinbar emotionslose Gesichter des Alltags.
Susanne Kircher-Liner, 2014